Nachtgebet „Zeugnis der Menschlichkeit“ – Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung von Buchenwald
Am Vorabend des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald luden die Private Pädagogische Hochschule Burgenland (PPH Burgenland), die Bildungsdirektion für Burgenland und die Diözese Eisenstadt am 10. April 2025 zum Nachtgebet „Zeugnis der Menschlichkeit“ in die Pfarrkirche Lackenbach ein. Ein Abend ganz im Zeichen der Zusammengehörigkeit, Toleranz und Friedfertigkeit.
Im Zentrum der Veranstaltung stand der international renommierte Jazzmusiker Harri Stojka, der mit seinem eindrucksvollen Gitarrenspiel ein musikalisches Zeichen für Menschlichkeit setzte – begleitet von der Sängerin Tini Kainrath und dem Gitarristen Claudius Jelinek.
In einer sehr persönlichen Ansprache erinnerte Harri Stojka an das Schicksal seines Vaters Johann „Mongo“ Stojka, der als junger Roma ins Konzentrationslager Buchenwald und später nach Auschwitz deportiert wurde. Johann “Mongo” Stojka überlebte den Völkermord der Nationalsozialisten an den Siti:zze und Rom:nja, den Porajmos. Als 13-Jähriger verfasste er im Konzentrationslager ein Skizzenbuch mit feinfühligen Zeichnungen und pointierten Gedichten, das über acht Jahrzehnte verschollen war, wiederentdeckt wurde und nun im Londoner Imperial War Museum ausgestellt ist. Rafael Grill, Alysea Nardai und Katharina Bauer trugen diese Gedichte vor.
Harri Stojka sprach offen über seine Kindheit und Familienerinnerungen – Feste voller Musik, die jedoch häufig in stille Trauer umschlugen. Die Erfahrung der Vergangenheit war stets präsent, auch wenn er als Kind das Wort „Vernichtungslager“ noch nicht begreifen konnte. Seine musikalische Laufbahn begann mit einer rosa Kindergitarre, die ihm sein Vater schenkte. Heute, so Stojka, wolle er niemanden mehr überzeugen: „Wenn die Menschen die Mauern in ihren Köpfen nicht selbst einreißen, kannst du sie nicht erreichen.“ Und dennoch setzt er mit seinem Kommen, seinem persönlichen Statement und seiner Musik ein starkes Zeichen – in der Hoffnung auf eine vorurteilsfreiere, empathische nächste Generation.
Literarische Impulse kamen von Siegmund Kleinl, Germanist und Autor, der Auszüge, wie das „Klagenlied der Krisenseher“, aus seinem Buch „frei gehen - eine Exodus-Dichtung“ vortrug. Er verband die biblische Exodus-Erzählung mit Erfahrungen der Verfolgung im Nationalsozialismus und lud zur Auseinandersetzung mit den Themen Freiheit und Menschlichkeit ein. Seine Worte erinnerten daran: Humanität ist Freiheit mal Verbindlichkeit.
Bildungsdirektor Alfred Lehner und Rektorin der PPH Burgenland Sabine Weisz unterstrichen in ihren Ansprachen die Bedeutung von Bildung, Demokratie und Frieden als Grundpfeiler einer offenen Gesellschaft. Gedenkveranstaltungen wie diese seien essenziell, um einen reflektierten und verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit zu fördern – besonders im schulischen Kontext.
Nach der Zeremonie in der Kirche zog ein stiller Lichterzug mit Kerzen und Sonnenblumen – als Symbole der Hoffnung und Erinnerung – durch den Ort. Am Mahnmal für Rom:nja und Sinti:zze erinnerte Manuela Horvath, Leiterin der Romapastoral der Diözese Eisenstadt, an die während des Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Menschen.
Der Zug führte weiter zum jüdischen Friedhof. An der Grenze zwischen dem jüdischen Friedhof und dem angrenzenden Roma-Friedhof – zwei Orte, die nur aus religiösen Gründen durch einen dünnen Zaun getrennt sind, aber gleichermaßen Orte des Gedenkens darstellen – versammelten sich die Teilnehmenden. Johannes Reiss, ehemaliger Direktor des Österreichischen Jüdischen Museums in Eisenstadt, sprach Worte des Gedenkens. Am Roma-Friedhof erinnert ein Denk- und Grabmal an die vielen tausend Sinti und Roma, die in verschiedene Konzentrationslager deportiert und dort ermordet wurden. Einige wenige Einzelgräber lassen die traurigen Schicksale einzelner Menschen erahnen. Der jüdische Friedhof in Lackenbach ist der, an der Anzahl der Grabsteine gemessen, größte jüdische Friedhof des Burgenlandes. Am 5. November 2025 wird Johannes Reiss in einer Folgeveranstaltung der PPH Burgenland den außerschulischen Lernort Jüdischer Friedhof Lackenbach mit weiteren Fakten und spannenden neuen Entdeckungen näher erläutern.
Den musikalischen Schlusspunkt setzte Harri Stojka mit Gitarrenklängen unter freiem Himmel – ein stilles, aber kraftvolles Zeichen für Frieden und Zusammenhalt.
Zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik und Bildungswesen nahmen an der Veranstaltung teil und unterstrichen damit deren Bedeutung. Unter den Gästen befanden sich unter anderem Landesrat Heinrich Dorner und Bürgermeister Christian Weninger. Seitens der PPH Burgenland waren Rektorin Sabine Weisz, Vizerektor für Forschung und Hochschulentwicklung Herbert Gabriel, die Institutsleiterin für Ausbildung Martina Steinhauer-Goldnagel sowie der Institutsleiter für Religionspädagogik und transformative Bildung Harald Mandl vertreten. Vonseiten der Bildungsdirektion Burgenland nahmen Bildungsdirektor Alfred Lehner, die Direktorin des Schulamtes und des Gymnasiums der Diözese, Andrea Berger-Gruber, sowie die Leiterin der Abteilung Minderheitenschulwesen und Vorsitzende des HKDC, Karin Vukman-Artner, an der Veranstaltung teil. Ebenfalls anwesend waren die Schulqualitätsmanagerin für den Bezirk Oberpullendorf, Christina Schlaffer, sowie die Fachinspektor:innen für den katholischen Religionsunterricht Tatjana Steurer-Kiss, Katja Marth und Matthias Weber. Die Diözese Eisenstadt wurde durch Birgit Prochazka, Barbara Buchinger und Markus Iby repräsentiert, die Pfarre durch Kuratorin Gerda Grill und Pfarrer Shinto Michael.
Das Nachtgebet wurde konzipiert von Adele Grill (PPH Burgenland) und unterstützt vom Land Burgenland sowie der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung. Zahlreiche Kooperationspartner – die Katholische Aktion / Katholische Arbeiter:innenbewegung der Diözese Eisenstadt, die Katholische Frauenbewegung, die Katholische Männerbewegung, das Forum Katholische Erwachsenenbildung der Diözese Eisenstadt, die Gemeinde und Pfarrgemeinde Lackenbach sowie der Verein Roma-Service – trugen zum Gelingen des Abends bei. Mitwirkende, Organisator:innen, Teilnehmende – rund 200 Personen erlebten gemeinsam einen berührenden Abend, ein eindrucksvolles Zeugnis gelebter Menschlichkeit. Die Frage nach dem Mensch-Sein und Mensch-Bleiben muss weiter gestellt und persönlich beantwortet werden.
Bildquelle: Peter Reiteritsch